Am 2. Februar 2023 hat das Stadtblatt ein Interview mit mir veröffentlicht. Die Fragen hat Andreas Nievergelt, Redaktor des Stadtblatts gestellt. Das Stadtblatt gibt es als APP und kann unter folgendem Link geladen werden:
Bülacher Stadtblatt

1.     Du bist seit August 2018 in Zürcher Kantonsrat. Wie hat sich Dein Leben dadurch verändert?

Mein Leben ist nochmals intensiver und bunter geworden. Durch das Amt konnte ich viel Neues dazu lernen. In die Kommissionssitzungen werden zu den einzelnen Geschäften Fachexperten aus der Verwaltung und auf Wunsch auch externe Fachexperten oder Betroffene eingeladen, damit wir ein umfassendes Bild für unsere Entscheidungen erhalten. 
Die Präsenszeit für den Kantonsrat und die Kommissionsarbeit umfasst ca. 30 Prozent. Daneben gibt es viel zu lesen und vorzubereiten. Wöchentlich erhalten wie ein Couvert – den sogenannten Ratsversand – mit den neuen Anträgen der Regierung, den Vorstössen und deren Beantwortung. Am Wochenende bereite ich häufig meine Voten für die Kantonsratssitzung am Montag vor.

2.     Der Kantonsrat ist für den normalen Bürger von Bülach recht weit weg. Es werden wohl Gesetze und grosse Projekte beschlossen, aber die direkte Betroffenheit ist nur am Rande zu spüren. Woran liegt das?

Einer der Gründe, warum die kantonale Politik für viele Menschen weit weg erscheint, ist, dass sie sich oft auf Angelegenheiten bezieht, die für Menschen in anderen Regionen weniger relevant sind. Als Bsp. der Umbau und die Erweiterung des Werkhofes in Affoltern. Dies mag für Einwohner von Affoltern relevant sein, aber in Bülach interessiert sich dafür kaum jemand. Hingegen ist der Vierspurausbau durch den Hardwald in Eglisau, Glattfelden und im Rafzerfeld sicher ein Thema, das interessiert. 
Bei der lokalen Politik ist die Betroffenheit der Bürger viel grösser, da die Relevanz für den Einzelnen höher ist. Auch die Tatsache, dass die Medienberichterstattung über kantonale Themen im Vergleich zu nationalen oder internationalen Angelegenheiten deutlich geringer ist, führt dazu, dass die Bürger nicht darüber informiert sind, was im Zürcher Rathaus passiert. Leider hat die Berichterstattung aus dem Rathaus in den letzten Jahren nochmals abgenommen. 

3.     Welche politischen Erfolge kannst Du für Dich in dieser Zeit verzeichnen?

Beim Energiegesetz – aus meiner Sicht eines der wichtigsten Gesetze, das wir in dieser Legislatur behandelt haben – konnte ich nicht direkt mitwirken, da ich noch nicht in der entsprechenden Kommission war. Ich konnte aber meinen Gspänli aus der Fraktion einiges mit auf den Weg geben. Auch habe ich mich stark dafür eingesetzt, dass wir die FDP bei diesem Gesetz mit an Bord hatten, und dafür konnte ich auch meine Kontakte nach Bern nutzen. Etwas vom Besten war der Gewinn der Naturintiative. Diese hat dazu geführt, dass die Mittel für den Naturschutz verdoppelt werden konnten.
Daneben geht direkt auf meine Vorstösse zurück, dass die Datenerhebung in den Naturschutzgebieten erneuert wird und die entsprechenden Pflegepläne dazu ausgearbeitet werden sollen. Die letzten Daten sind häufig zwischen 20 und 30 Jahre alt und haben oft nicht mehr viel mit dem zu tun, was man in der Natur antrifft. Mit einem weiteren Vorstoss habe ich verlangt, dass die Angestellten der Verwaltung, der Uni und weiterer kantonaler Institutionen als Vorbilder vorangehen und bei Reisen unter 1’200 km nur noch in Ausnahmefällen fliegen und ansonsten mit dem Zug reisen sollen. Dazu erwarte ich vom Regierungsrat gespannt auf den Bericht, welcher uns zukünftig regelmässig Auskunft über das Mobilitätsverhalten der kantonalen Mitarbeiter geben soll. Zu guter Letzt kommt mein aller erster Vorstoss, den ich im August 2018 eingereicht hatte, am 23. Januar endlich wieder in den Rat und hat reelle Chancen angenommen zu werden. Mit der Parlamentarischen Initiative hatte ich verlangt, dass sich die Kantonalbank aus Investitionen in fossile Energien zurückziehen soll. 

4.     Und was sind politische Vorstösse von Dir, die nicht durchkamen und warum?

Da viele meiner Vorstösse aus den Bereichen der erneuerbaren Energien und der Natur kommen, bei welchen die sogenannte Klimaallianz eine knappe Mehrheit hat, bin ich mit den allermeisten durchgekommen. Bei einem Vorstoss habe ich verlangt, dass der Kanton, wie es der Bund schon macht, beim Strom auf die Netznutzung einen Zuschlag erheben kann, um mit den Mitteln die Solarenergie voranzubringen. Denn der Kanton Zürich ist beim Zubau von Solarenergie pro Kopf in der Schweiz immer noch auf dem drittletzten Platz. Leider hatte mich bei diesem Vorstoss eine linke Partei nicht unterstützt. Ich war mir meiner Sache zu sicher und habe im Vorfeld zu wenig Überzeugungsarbeit geleistet. Die wird mir für die Zukunft eine Lehre sein!

5.     Du bist bei den Grünen. Umweltschutz, Klimaneutralität und erneuerbare Energien müssten Dir ein Anliegen sein?

Ja, das sind meine Themen. Als promovierter Biologe arbeite ich heute in der Solarbranche. Ich kann also mit meinen Kenntnissen zwei der zentralen Grünen Anliegen gut abdecken. Mit den aktuellen Mehrheiten im Rat konnten wir 75 Prozent der Abstimmungen zu Natur-und Klimaanliegen gewinnen. Die Mehrheiten sind aber äusserst knapp. 

6.     Du bist in der Kommission für Energie, Verkehr und Umwelt. Durch die drohende Energiekrise seid Ihr da zusätzlich ziemlich gefordert. Habt Ihr eure Aufgaben Deiner Meinung nach gemacht und was sind Eure Lösungen?

Ich bin erst seit November in dieser Kommission. Zuvor war ich fast vier Jahre in der Kommission für Planung und Bau, welche ebenfalls sehr spannend und lehrreich war. Die Energiekrise war im Rat mehrfach Thema. Sie zeigt auf, wie abhängig wir sind. 80 Prozent der Energie stammt aus dem Ausland. Dabei haben wir mit der Solarenergie und der Windkraft ungenutzte heimische Potentiale. Diese müssen wir aus drei Gründen nutzen. Erstens müssen wir schnell Dekarbonisieren, damit wir die Klimaziele von Paris noch erreichen können. Zweitens kann uns dann niemand mehr den Hahn zudrehen und drittens können wir die 9 Milliarden Schweizer Franken, die wir für Benzin, Öl und Gas jährlich in der Schweiz ausgeben beim Bau von Solaranlagen einsetzen.

7.     In einer nächsten Legislatur würdest Du gemäss Deiner Website auf die Themen Klimaschutz, Lebensräume erhalten und Stopp der Zersiedlung setzen. Insbesondere letzteres birgt – gerade auch für Bülach –Zündstoff. Die beiden neue Quartiere Guss und Glasi sind sehr verdichtet gebaut und haben nicht nur Freunde. Wie stehst Du dazu?

Spannend, dass Du die beiden Quartiere aufbringst, denn ich durfte mich im Bülacher Parlament mit den Projekten auseinandersetzen. Du weisst, dass die Alternative weitere Einkaufzentren, wie wir sie in Bülach Süd haben, gewesen wären. Dass der Bülacher Stadtrat hier eine Planungszone erwirkte und mit dem öffentlichen Gestaltungsplan urbane Quartiere geschaffen hat, sehe ich als die deutlich bessere Lösung. Die Lage so nahe am Bahnhof, ermöglicht es, dass ein Grossteil der Mobilität mit dem öffentlichen Verkehr abgewickelt werden kann. Das verdichtete Bauen muss genau an solchen Lagen erfolgen. Der Kanton sieht vor, dass die Städte und Agglomerationen 80 Prozent des Bevölkerungswachstums aufnehmen, damit die Landgemeinden geschont werden können und die Zersiedelung nicht weiter voranschreitet. 

9.     Was Du schon immer mal sagen wolltest…

In Anbetracht der Wahlen möchte ich die Bevölkerung dazu aufrufen, an die Urnen zu gehen. Nur wer stimmt, bestimmt. Wer sich in unserem Land beklagt, dass die da oben bestimmen, vergisst, dass er in keinem anderen Land so viele Möglichkeiten hat, politisch mitzuwirken. Statt die Faust im Sack zu machen, möchte ich dazu aufrufen sich politisch zu engagieren.